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Reinkarnierte Voltaire im 20. Jahrhundert?

Da ich mich für Mystik interessiere, beschäftigte ich mich neulich durch einen Hinweis mit der Autobiographie des zum Katholizismus bekehrten Hellmut Laun (*1902 in Königsbronn, † 25. Januar 1981) und wurde bei der Lektüre auf etwas aufmerksam, dass mich nicht weniger interessiert.

Ein Motorradunfall Launs führte zu einer Operation, bei der mit Äther (1929) narkotisiert wurde.
Da man ihm etwas zu viel gegeben hatte, war er nahe daran die Erde zu verlassen. Er hatte ein Nahtoderlebnis, dass er in seinem Buch ausführlich schilderte. (Da es auch online erschienen ist, kann man es hier http://kirchen.net/bischof/laun/texte/LAUN-Alles.doc nachlesen.)
Interessant ist nun, dass er - während er dem Licht zustrebt - neben sich ein Wesen gewahrt, dass er als Voltaire (!) identifiziert.
“Auf dem Weg zum Zentrum nahm ich - wie mir noch deutlich in Erinnerung ist - einen Menschen wahr; nicht körperlich, und doch sah ich ihn ganz real. Dieser Mensch, besser dieses geistige Wesen, hatte den Blick mit einer unstillbaren Sehnsucht auf jenen Mittelpunkt gerichtet, mit einem Verlangen, das zugleich tiefe Schmerzen verursachte, weil ihn irgend etwas hinderte, dem beglückenden Ziel auch nur um Haaresbreite näherzukommen. Er war gleichsam fixiert und vermochte sich nicht mehr zu verändern, obwohl er es, wie ich an seinen Zügen ablesen konnte, mit aller Leidenschaft, gewissermaßen mit seiner ganzen Seele, ersehnte. Ich glaubte damals zu erkennen, es handle sich um Voltaire, doch kann ich nicht sagen, warum. Ich habe übrigens, als ich das sonderbare Erlebnis später einigen Freunden erzählte, stets von Voltaire gesprochen. „

Das ist ja nun erst mal eine ganz erstaunliche Sache. Was hat Voltaire bei einem so bedeutsamen Erlebnis zu suchen? Wie es sonst eher der Fall ist, hätte man auch hier die Wahrnehmung bereits verstorbener Verwandter erwartet. Aber Voltaire, der schon vor 151 Jahren verstorben ist?


Wer war Voltaire? - Voltaire (* 21. November 1694 in Paris; † 30. Mai 1778 ebenda) war als freigeistiger Aufklärer und scharfer Kritiker der katholischen Kirche bekannt.
„Écrasez l'infâme!" lautet seine bekannte Devise, und mit "infam" meinte er die institutionalisierte Religion, die er mit Intoleranz und Aberglauben gleichsetzte. Ironie, Hohn und Spott waren seine Waffen.

Dieser Spötter, sollte also nun eine „ unstillbare Sehnsucht“ nach dem von Laun geschauten Mittelpunkt haben? (Übrigens setzte Laun später dieses Licht mit Christus gleich!)
Interessant ist, dass Laun bis zu diesem Erlebnis in der Narkose alle religiösen Fragen fremd waren. Auch er war, wie Voltaire ein Freigeist.
Doch zurück zu Launs Erlebnis: „Ich kam also dem Mittelpunkt der Spirale immer näher. Mit jeder weiteren Umdrehung, mit zunehmender Annäherung, wurde das Verlangen heftiger, ganz zu der beseligenden Mitte als dem begehrenswertesten Gut hinzugelangen.(…) Aber an einem bestimmten Punkt der Bahn wurde ich auf einmal an der Weiterbewegung gehindert. Die Bewegung kam zum Stillstand, ja sie wurde rückläufig, so dass ich mich in der Spirale wieder nach außen bewegte und von dem ersehnten Mittelpunkt entfernte.“
Was bei Voltaire wie erstarrt erscheint, zeigt sich hier in der Dynamik.
Nun ist ja von allen bekannt, die das Licht gesehen haben, dass es ihnen schmerzhaft wurde in die physische Welt zurückzukehren, da die Reanimationsbemühungen der Ärzte Erfolg hatten.
Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass Christus jedem Menschen als Urbild zu Grunde liegt. Auch einem Spötter wie Voltaire.
Es dürfte aber klar sein, dass er sich in seinem Tod nicht mit diesem vereinigen konnte. Also die Sehnsucht blieb, die nach dem Tode nicht gestillt werden konnte.
Deshalb dieses erstarrte Antlitz: „Wenn ich heute zurückblicke, ist mir nur das in Schmerz erstarrte Gesicht noch deutlich in Erinnerung.“ Man erinnere sich hier an Jesu Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk. 16,19-31) !
Damit ist aber noch nicht geklärt, weshalb Voltaire gerade dem Hellmut Laun „erschienen“ ist, und nicht den vielen anderen, die die gleiche Sehnsucht und den gleichen Schmerz der Rückkehr in ihren Nahtoderlebnissen hatten.
Was verbindet also Hellmut Laun mit Voltaire?
Oberflächlich gesehen, außer der Freigeisterei wohl nichts.
Wenn man allerdings Biographien zu lesen versteht und auch um die Metamorphosen seelischer Zusammenhänge weiß, ergeben sich einige interessante Punkte, die Aufmerksamkeit verdienen.
Da ist zunächst, dass Laun nach dem Erwachen aus der Narkose, immer wieder die Worte: "furchtbar, furchtbar" aussprach, was sich die Anwesenden gar nicht erklären konnten, mit denen er aber seine Empfindungen der Rückkehr beschrieb. Aber vielleicht waren sie auch ein Zusammenklang mit jenen „Voltaires“?
Jedenfalls hörte er „den Arzt zu einer Schwester von Theaterkarten sprechen, die er besorgen wolle. Es war ein ganz banales Gespräch ohne jedes Interesse für mich. Trotzdem übten diese Worte eine unerwartete und tiefe Wirkung aus: Auf unerklärliche Weise erkannte ich, dass sie einer Geisteshaltung entsprangen, die mit der soeben wahrgenommenen Welt in einem entsetzlichen Widerspruch stand. Es war ein Geist der Frivolität, abscheulich, ekelerregend. Nie hatte ich in meinem Leben bis dahin eine solche Wertung erlebt. Der Eindruck war stark und wohl deshalb unvergesslich bis heute.“
Stellen wir uns nun den frivolen Geist Voltaires vor, der nach dem Tod sich so recht der Unangemessenheit seiner Geistesart bewusst wurde, und dann von jenem Geist besonders abgeschreckt wurde…
Wenn wir jetzt hypothetisch annehmen Hellmut Laun wäre der wiederverkörperte Voltaire, so würde uns das hier geschilderte Empfinden ganz selbstverständlich erscheinen.
Aber es geht noch weiter.
Hellmut Laun lernt nun in literarischen Kreisen, in denen er verkehrte, einige Katholiken kennen, die ihn beeindrucken.
In Gesprächen, musste er „nicht ohne starken inneren Widerstand“ erkennen, dass die eine oder andere Vorstellung, die er von der katholischen Kirche hatte, auf reinen Vorurteilen beruhte.
(Nun ist damit nicht gesagt, dass der katholische Glaube der einzig richtige sei. Aber stellen wir uns vor, der in Abneigung gegen den Katholizismus geprägte Voltaire erkennt nun in der geistigen Welt wesentliche Inhalte - wie Christus, Glauben - als wahr. Er kommt wieder auf die Erde und in Berührung mit der gleichen Glaubensrichtung. Aufgrund der in der geistigen Welt gemachten Erfahrungen, wird er sie nicht mehr bekämpfen, sondern das Bestreben haben sich mit ihr zu versöhnen.)
So näherte er sich immer mehr dem katholischen Glauben an.
Eines Tages wurde in der Firma, wo Laun der Chef war, eine neue Maschine zur Herstellung von Verbandwatte aufgestellt. Dabei kam es zu einem Unfall. Seine linke Hand wurde von einem Walzenpaar in die Maschine gezogen. Im Augenblick des Schocks wusste er plötzlich „mit einer Klarheit, die nun keine Zweifel mehr zuließ: der monatelange Kampf ist beendet, die Unsicherheit vorbei, ich folge meiner Einsicht, ich werde katholisch! “
Das wurde er 1937 im Alter von 35 Jahren, also in der „Mitte des Lebens“!
Drei Monate später erwachte er nachts mit einem „Traumbild , das sich von jedem bis dahin gehabten Traum durch seine ungeheure Intensität unterschied, und das in einer mir heute noch unbegreiflichen Weise in das Wachsein gewissermaßen hinüberreichte.

Was ich sah, war ein Bild von großer Wucht und Eindringlichkeit: Meine Seele befand sich zwischen dicken Mauern wie in einem Kerker. In diesem Kerker gab es zwar Fenster, die den Blick nach draußen freigaben; aber diese Öffnungen waren mit dicken Eisenstäben versperrt, welche ein Entweichen ebenso verhinderten, wie es so offensichtlich die Steinquader der Mauern taten. Durch die Gitter sah man jedoch hinaus in eine Freiheit, welche die Seele als ihre Heimat erkannte und tief ersehnte. (…) Verzweifelt und voller Schrecken über diesen dumpfen Ort der Hoffnungslosigkeit presste ich mein Gesicht an die Eisenstäbe, durch die das Licht von draußen hereinfiel: Dort war jener beglückende ( geistige ) Raum, die beseligende Freiheit, das Element, in dem allein die Seele leben konnte, der Ort, der ihrem Wesen gemäß war. (…) Wie lange ich mich in diesem Kerker gefangen erlebte, ist unmöglich zu sagen. (…) Dennoch gab es, wie mir vorkam, eine zeitliche Abfolge innerhalb dieses Erlebnisses. “

Diese Schilderung ist insofern bemerkenswert, dass sie in ihrer Intensität den Erinnerungen an frühere Erdenleben entspricht. Auch wirkt die Schilderung sehr real.
Könnte es sich hier tatsächlich um eine Erinnerung an ein früheres Erdenleben handeln? Etwa an das von Voltaire? - Nun, Voltaire verbrachte tatsächlich 1717 elf Monate in der Pariser Bastille!

Laun wird dieses Erlebnis zu einem Bild seiner „geistigen Gefangenschaft“ aus der nur Christus befreit. Die Erschütterung wirkt tagelang nach, in denen er, wie in einer anderen Welt lebt und den Menschen wie von Sinnen erscheint.

Erinnern wir uns an das Bild von Voltaire, das Laun in der Narkose hatte: Da dieses innere Gefangensein Voltaires durch seinen widergöttlichen Geist und das Erkennenmüssen, dass das Licht (Christus) die Lösung ist. Nach seinem Tod, es wurde bereits gesagt, musste es als schmerzhaft empfunden werden. Jetzt als Befreiung!

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