« Staunen ist der erste Grund der Philosophie. » Aristoteles


Der Weg zum Heil (Teil 1)

Wer mit offenen Augen die Welt und sich selbst betrachtet, wird feststellen, dass alle Lebewesen Angst haben. Das heißt natürlich nicht, dass diese ständig empfunden werden muss. Doch immer wieder entstehen für Mensch oder Tier Situationen, die Angst auslösen. Sie ist also potentiell stets gegenwärtig und scheint für die Selbsterhaltung eines jeden Wesens unentbehrlich zu sein.

Sollte diese Annahme zutreffend sein, so würde es bedeuten, dass alle Bemühungen zur Verbesserung unserer Lebensqualität letzten Endes vergeblich sein müssen. Der Mensch - und mit ihm die gesamte Evolution - wären in eine Sackgasse geraten.
Alle gesellschaftlichen und moralischen Veränderungen können nur neue Tünche auf ein im übrigen unverändert gebliebenes Wesen sein.
Ohne Überwindung der Angst gibt es keinen echten Fortschritt!

Wie aber soll das möglich sein ? Muss da nicht jedes Lebewesen über sich selbst hinauswachsen, gleichsam ein anderes werden ?
In der Tat ergäbe sich das als logische Konsequenz! Ja, man könnte meinen, das Leben selbst müsse überwunden werden, denn wir stellten ja fest, dass gerade die lebendigen Wesen Angst haben. Bei einem Stein, den wir als "tot" betrachten, können wir eine solche Reaktion nicht beobachten.

Doch gehören deshalb Angst und Leben untrennbar zueinander ? Klares Denken muss diese Frage verneinen.
Angst ist die Reaktionsweise eines jeden Lebewesens auf scheinbare oder echte Bedrohungen von außen
( Darauf, dass der Mensch auch so etwas wie innere Bedrohungen kennt, z.B. Angst vor eigenen unkontrollierten Handlungen oder Gefühlen hat, kann hier nicht eingegangen werden.). Das besagt bereits alles! Denn - um überhaupt reagieren zu können, muss die Empfindung einer Trennung vorhanden sein, d.h. etwas wird als Eigenes, anderes als Fremdes betrachtet.

Wenn wir nun fragen, wodurch das wiederum bedingt ist, kommen wir darauf, dass es aus der mehr oder weniger deutlichen Wahrnehmung der eigenen Besonderheiten resultiert - grob gesagt: aus der Wahrnehmung des eigenen Körpers. Jedes Lebewesen empfindet sich inmitten anderer Lebewesen, die alle ihre eigenen "Interessen" verfolgen. Abstrakt können wir deshalb sagen, die Angst kommt nicht unmittelbar vom Leben, sondern aus der Wahrnehmung der "Form". Lebendig sind ja alle Wesen. Nur in derForm unterscheiden sie sich!

Diese Erkenntnis ist von höchstem praktischen Nutzen! Sie ermöglicht ein Leben ohne Angst! Zunächst freilich nur für den Menschen...
Das Leben ist das Allgemeine, also das, was alle Lebewesen besitzen. Die Form ist das Spezifische, das, worin sie sich unterscheiden. Das Spezifische kann niemals das Allgemeine hervorbringen, sondern immer nur umgekehrt das Allgemeine das Spezifische. Folglich existiert Leben vor aller Form!
Das Leben selbst, das Leben "an sich", ist ewig - ist Gott!

Das sind keine Glaubenssätze, sondern ergibt sich, wenn wir dem hier aufgenommenen Faden des Denkens konsequent folgen. Wenn unsere gegenwärtige Wissenschaft noch meint, das Leben sei etwas Besonderes im Uni versum und hätte sich aus toter Materie entwickelt, behauptet sie etwas, dass jeglicher Logik widerspricht.

Alles ist voller Leben. Wir existieren in einem Meer unendlich wogenden Lebens! Nur die Materie, die unsere Naturwissenschaftler erforschen und die grobmateriellen Formen des Lebens, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, sie machen in der Tat nur einen geringen Teil der Wirklichkeit aus.

Das Leben hat also, wie wir sagten, die spezifischen Formen des Lebens hervorgebracht. Die Lebewesen identifizieren sich zunächst mit ihrer Form. Das hat zur Folge, dass aus dieser Identifikation Angst erwächst. Zerstört werden können nur die Formen, da sie begrenzt und damit durch anderes "bedingt" sind. Jede Form benötigt auf dieser Stufe andere Formen zu seiner Existenz.

Identifiziert sich der Mensch mit dem Leben "an sich", d.h. dem Leben, das allen Lebensformen zugrunde liegt, so muss das zur Folge haben, dass die Angst für immer schwindet. Deshalb ist das der einzige Weg zum Heil!

Schön und gut, werden Sie sagen, ich identifiziere mich jetzt mit dem Leben "an sich" (oder Gott, das Ewige - die dafür nur andere Namen, sind), und nach einiger Zeit werden Sie feststellen, dass sich, wahrscheinlich, nichts verbessert hat...

Bedenken Sie bitte, dass das s o einfach nicht gehen kann.

Freiheit von Angst ist die Frucht eines langen Weges und nicht Sache des Augenblicks. Damit wir heil werden können, ist ein völliger Umbau unseres Denk-, Fühlens- und Willens lebens notwendig. Denken, Fühlen und Wollen müssen in bisher ungewohnte Bahnen umgeleitet werden.

Die Empfindung, ein begrenztes Wesen zu sein, ruft eine innere Leere hervor. Diese Leere "spricht" zu uns: Dir fehlt etwas. Diese Leere, dieses Loch in uns, versuchen wir dann mit irgend etwas zu füllen. Häufig wird sie uns jedoch nicht "an sich" bewusst, sondern nur in Form einer speziellen Begierde. Nach kurzer Zeit der Befriedigung meldet sie sich wieder zu Wort und "das Spiel" beginnt von Neuem.

Wir kommen auf diese Weise niemals zu einer dauerhaften Erfüllung. Was wir auch unternehmen mögen, immer werden wir leer ausgehen!
Das Leben jenseits aller Form, also unser Ursprung ist unbegrenzt. Aus einer Identifikation mit ihm erwächst deshalb die Empfindung: Ich habe völlige Erfüllung und keinerlei Mangel.
Das wird in uns ein großes Glücksgefühl hervorrufen.

Solange in uns dieses Gefühl nicht dauerhaft anwesend ist, solange wir nicht beständigen inneren Frieden haben zeigt das an, dass wir uns in Bereichen unserer Seele immer noch als begrenztes, vergängliches Wesen sehen.
Das Begehren in allen seinen Formen bestimmt das begrenzte Leben. Wer sich deshalb mit dem Ewigen identifiziert, hört damit auf, da er glaubt, so die wirkliche Erfüllung zu erlangen. In der Praxis sieht das so aus, dass man alles so akzeptiert, wie es ist.

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